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Die im Juni 2025 veröffentlichte EU-Strategie zur Wasserresilienz stellt einen Paradigmenwechsel für die europäische Industrie dar. Angesichts der Tatsache, dass bereits heute 30 % der europäischen Landfläche von Wasserknappheit betroffen sind1, rückt die Ressource Wasser ins Zentrum strategischer Unternehmensplanung. Die Strategie umfasst 30 neue Maßnahmen und richtet sich explizit auch an Unternehmen, die ihre Wasserwirtschaft fundamental neu denken müssen2.
Konkrete Ziele und industrielle Verpflichtungen
Das Kernstück der Strategie bildet die Empfehlung zur Wassereffizienz. mit dem ambitionierten Ziel, die Wassereffizienz in der EU bis 2030 um mindestens 10 % zu verbessern3. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, eigene nationale Ziele basierend auf ihren territorialen Gegebenheiten festzulegen. Für die Industrie, die EU-weit für 25 % des Wasserverbrauchs verantwortlich ist4, bedeutet dies erhebliche Anpassungen.
Besonders brisant: Die Verluste durch Lecks in Wasserleitungen betragen je nach Mitgliedstaat zwischen 8 und 57 %5. Die Modernisierung der Wasserinfrastruktur durch digitale Lösungen wird damit zur dringenden Notwendigkeit. Die Kommission plant bereits für 2026 eine spezifische Forschungsstrategie, um den Wassersektor digitaler und effizienter aufzustellen6.
Fünf zentrale Aktionsfelder für die Transformation
Die EU-Kommission strukturiert ihre Strategie in fünf politische Aktionsfelder mit insgesamt rund 70 Maßnahmen7.
1. Governance und Umsetzung: Ein strukturierter Dialog mit Mitgliedstaaten, Regionen und Wasserbehörden soll die schnellere Umsetzung bestehender Vorschriften gewährleisten. Das erste Wasserresilienz-Forum im Dezember 2025 wird den Startschuss für einen regelmäßigen Austausch im Zwei-Jahres-Rhythmus geben8. Ein EU-weiter Aktionsplan soll die Beschleunigung digitaler Technologien im Wassermanagement vorantreiben. Echtzeit-Überwachungssysteme und KI-gestützte Optimierung sollen Einsatz finden.
2. Investitionen: Die finanzielle Dimension ist beeindruckend. Mehr als 15 Milliarden Euro sind für den Zeitraum 2025-2027 eingeplant. Die Europäische Investitionsbank wird ein neues Wasserprogramm auflegen, ergänzt durch kohäsionspolitische Mittel und einen innovativen Fahrplan für "Naturgutschriften".1 Die sektorenübergreifende Stärkung von Wasserwiederverwendungspraktiken eröffnet neue Potenziale für zirkuläre Wasserwirtschaft.
3. Digitalisierung und KI: Ein EU-weiter Aktionsplan soll die Beschleunigung digitaler Technologien im Wassermanagement vorantreiben. Echtzeit-Überwachungssysteme und KI-gestützte Optimierung werden zum Standard8.
4. Sicherheit und Vorsorge: Das verstärkte Echtzeit-Frühwarn- und Überwachungssystem im Copernicus-Dienst für Katastrophen- und Krisenmanagement wird ausgebaut, um besser auf Dürren und Hochwasserereignisse reagieren zu können.
5. Wasserwiederverwendung: Die sektorenübergreifende Stärkung von Wasserwiederverwendungspraktiken eröffnet neue Potenziale für zirkuläre Wasserwirtschaft im industriellen Kontext2.
Europa als Technologieführer nutzen

Ein oft übersehener Aspekt: Europa hält bereits 40 % aller weltweiten Patente im Bereich Wassertechnologie. Die europäische Wasserindustrie erwirtschaftet 107 Milliarden Euro jährlich und bietet 1,7 Millionen Menschen Arbeit8. Diese Position gilt es auszubauen. Die Strategie positioniert Wassereffizienz explizit nicht als regulatorische Last, sondern als Innovationstreiber für die "Blue Economy".
Unternehmen, die frühzeitig investieren, können von diesem Wettbewerbsvorteil profitieren. Die Modernisierung der Wasserinfrastruktur durch öffentliche und private Finanzierung sowie digitale Lösungen steht im Zentrum der Bemühungen9.
Gebäudetechnik als Schlüsselelement
Die Strategie erkennt den Gebäudesektor als zentrales Handlungsfeld an5. Sanitär- und Installationstechnik spielt eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung des Wasserverbrauchs. "Haushalte in Europa sind für 13 % der Wassernutzung und für 28 % der Wasserentnahme verantwortlich", betont Frank Wiehmeier, Vice President Sales Central Europe der Hansgrohe Group5.
Die Strategie betont den engen Zusammenhang zwischen Wasser- und Energieeffizienz. Durch Einsparungen in der Warmwassererwärmung und -nutzung kann der Energieverbrauch in Gebäuden nachweislich gesenkt werden – ein wichtiger Aspekt für industrielle Liegenschaften und Verwaltungsgebäude10.
Industrielle Symbiosen und Pilotprojekte
Besonders vielversprechend sind sektorenübergreifende Ansätze. Die Strategie fördert industrielle Symbiosen, bei denen das Abwasser eines Betriebs zur Ressource für einen anderen wird. Erste Pilotprojekte zeigen bereits das Potenzial solcher Kreislaufsysteme2.
Die Integration von Gebäudetechnik und industriellen Prozessen eröffnet dabei neue Einsparpotenziale. Wissenschaftlich fundierte und hygienisch abgesicherte Wasserwiederverwendung im Gebäude kann wichtige Beiträge zur Wasserzirkularität leisten5.
Wirtschaftliche Risiken und Chancen
Die ökonomische Dimension der Wasserknappheit ist erheblich. Besonders langlebige Schadstoffe wie PFAS verursachen jährliche Folgekosten von geschätzt 52 bis 84 Milliarden Euro für die öffentliche Gesundheit8. Gleichzeitig bedrohen häufigere Dürren und extreme Niederschläge die Ernährungssicherheit, öffentliche Gesundheit, Ökosysteme, Infrastruktur und Wirtschaft in Europa2.
Für Unternehmen bedeutet dies: Wassersicherheit wird zum entscheidenden Standortfaktor. Die Strategie adressiert explizit die Notwendigkeit, Investitionshürden abzubauen und kostendämpfende Lösungen zu entwickeln11.
Ausblick: Der Weg zur wasserresilienten Wirtschaft
Die EU-Wasserresilienzstrategie ist mehr als ein politisches Dokument – sie ist eine Roadmap für die industrielle Transformation. Mit dem Wasserresilienz-Forum im Dezember 2025 beginnt ein strukturierter Prozess, der Unternehmen, Behörden und Forschung zusammenbringt8.
Für die Industrie gilt: Die Zeit des linearen Wasserverbrauchs ist vorbei. Unternehmen müssen Wasser als strategische Ressource begreifen und in resiliente Systeme investieren. Die verfügbaren Fördermittel und der technologische Vorsprung Europas bieten dabei einmalige Chancen für innovative Unternehmen, die den Wandel aktiv gestalten. Wer jetzt handelt, sichert sich nicht nur gegen Versorgungsrisiken ab, sondern positioniert sich als Vorreiter in der entstehenden wasserresilienten Wirtschaft Europas.