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E-Auto an Ladestation vor einem Haus

E-Autos als flexible Stromspeicher

11.09.2025

Bidirektionales Laden ist technisch längst möglich. Doch welche Hindernisse bremsen eine Lösung aus, die sowohl Gebäude als auch Netze resilienter machen und die Energiewende entscheidend voranbringen könnte?

Lesedauer: 3 Minuten

Können Elektroautos die Energiewende beschleunigen?

E-Auto hängt an einer Wallbox neben einem Fahrrad
Foto: AleaIL

E-Autos könnten den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen – und gleichzeitig helfen, das Problem schwankender Stromproduktion aus Wind und Sonne zu stabilisieren.

In Deutschland ist das Konzept unter dem Begriff bidirektionales Laden zwar bekannt, wird aber bisher nur selten genutzt. Dabei zeigt das Projekt BDL Next in München, dass es bereits im Alltag funktioniert. Beispiel Stromausfall: Licht und Geräte bleiben an – nicht, weil ein Notstromaggregat anspringt, sondern weil das Elektroauto den Strom zurück ins Hausnetz speist.

Das Prinzip des bidirektionalen Ladens ist einfach: Strom fließt nicht nur vom Netz in die Batterie, sondern auch wieder zurück – ins Haus (Vehicle-to-Home, V2H), ins öffentliche Netz (Vehicle-to-Grid, V2G) oder in Gebäudestrukturen (Vehicle-to-Building, V2B). Da Fahrzeuge im Schnitt 95 % der Zeit ungenutzt stehen, bieten sie ein enormes Speicherpotenzial.

Neue Chancen für Unternehmen und Flotten

E-Auto wird geladen, Frau und Kind gehen ins Haus
Foto: Ralph Hahn

„Der Kerngedanke ist ja, dass wir die Netze mit den erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne mithilfe des bidirektionalen Ladens stabil halten wollen. Und damit das funktioniert, muss die Technologie sehr sicher sein“, erklärt Luca Husemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt BiFLex-Industrie an der Universität Duisburg-Essen.

Gerade Unternehmen mit großen Fahrzeugflotten können profitieren. Während die Fahrzeuge auf dem Betriebshof stehen, lassen sie sich nicht nur laden, sondern auch gezielt entladen, um Lastspitzen abzufangen, Energiekosten zu senken und den Eigenverbrauch von Solarstrom zu erhöhen.

Auch David Meyer, Projektleiter im Forschungsprojekt BiFlex-Industrie, sieht in diesem Segment enormes Potenzial, erklärt aber auch, wo noch Herausforderungen bestehen. „Aktuell kostet eine bidirektionale Wallbox rund 4000 Euro. Pro Jahr und Fahrzeug lassen sich damit aber je nach Anwendung Einsparungen oder Erlöse von 200 bis 800 Euro erzielen. Das stellt für Unternehmen natürlich noch ein großes Hemmnis dar“, sagt Meyer.

Internationale Vorbilder, deutsche Hürden

Während Länder wie Japan, Kalifornien (USA) und China bidirektionales Laden bereits in ihre Energiepläne integriert haben, bremsen in Deutschland vor allem rechtliche Unsicherheiten, fehlende Standards und ungeklärte Abrechnungsmodelle.

Obwohl mit ISO 15118-20 ein Kommunikationsprotokoll existiert, ist es bisher nicht verbindlich. Unterschiedliche Interpretationen und fehlende Normen verlangsamen die Entwicklung zusätzlich.

„Erst wenn klar ist, wer wofür verantwortlich ist und wie abgerechnet wird, kann das bidirektionale Laden skaliert werden.“

Vincenz Regener

Vom Nischenprojekt zum Standard

E-Auto wird mit einer Wallbox geladen

Damit bidirektionales Laden in Deutschland wirklich durchstartet, braucht es mehr als funktionierende Technik: einheitliche Standards, klare Regulierung, Investitionen in Infrastruktur und faire steuerliche Rahmenbedingungen. Denn aktuell werden mobile Speicher doppelt besteuert – beim Laden und beim Einspeisen.

Parallel dazu laufen auf europäischer Ebene Initiativen wie die Coalition of the Willing on Bidirectional Charging, die eine stärkere Abstimmung zwischen Energie- und Automobilbranche schaffen wollen. Vertrauen und Akzeptanz bei den Nutzern sind ebenfalls entscheidend, damit sich die Technologie durchsetzt.

Wie groß das Potenzial ist, zeigt das Beispiel des Testnutzers Uwe Möller aus dem Rheinland im Projekt BDL-Next. Sein BMW i3 lädt tagsüber mit Solarstrom vom Dach. Abends, wenn Strom teuer ist, speist er Energie zurück ins Haus. „Ich spare dadurch nicht nur Geld“, sagt Möller, „ich habe auch das Gefühl, Teil eines intelligenten Systems zu sein.“

Die Technik ist da. Nun braucht es politische Entscheidungen, klare Rahmenbedingungen und das Vertrauen der Nutzer, damit E-Autos als Stromspeicher vom Ausnahmefall zum Standard werden.

„Trotz der standardisierten Datenschnittstelle zwischen Fahrzeug und bidirektionaler Ladesäule kommt es zu Problemen, da der Standard teils noch nicht vollständig implementiert ist oder nicht alle erforderlichen Daten einschließt.“

David Meyer

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