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Verschaffen Sie sich in kurzer Zeit einen aktuellen Überblick der rasanten Entwicklungen aus den Branchen der intelligenten Gebäudetechnik. Die Inhalte sind auf Ihre Interessen individualisierbar, neutral aufbereitet und von Expert*innen für Expert*innen.  

Hochmoderner Reinraum mit Laborpersonal in Schutzanzügen

Gebäudeautomation, Interkonnektivität und digitale Zwillinge als Schlüssel zur Zukunft

Vernetzte und automatisierte Reinräume

27.11.2025

Reinräume gewährleisten kontrollierte Bedingungen, um sensible Produktionsprozesse vor Kontamination zu schützen. Die steigenden Anforderungen an Prozesssicherheit, Flexibilität und Nachhaltigkeit stellen die Branche vor neue Herausforderungen.

Lesedauer: 5 Minuten

Die Digitalisierung und Automatisierung bieten eine effektive Möglichkeit, den genannten Herausforderungen bereits in der Planungs- und Errichtungsphase von Reinräumen oder bei einer späteren Überarbeitung zu begegnen. Während herkömmliche Reinräume bisher weitgehend auf statische Regelkreise und manuelle Eingriffe angewiesen sind, ermöglichen intelligent vernetzte Systeme durch den Einsatz von Sensorik, Datenanalyse und Automatisierung eine vorausschauende und dynamische Steuerung der Betriebs- und Umgebungsbedingungen. Dies führt bei einer optimalen Umsetzung zu einer erhöhten Prozesssicherheit, gesteigerter Energieeffizienz und einer durchgängig transparenten Betriebsführung.

Interkonnektivität und intelligente Vernetzung

Die Interkonnektivität beschreibt die intelligente Vernetzung aller relevanten Systeme und Komponenten innerhalb eines Reinraums. Im Zentrum steht die Integration von Sensorik, Aktorik und Steuerungstechnik über IoT-Plattformen, die eine Kommunikation in Echtzeit ermöglichen. Typische Kommunikationsprotokolle wie BACnet, Modbus oder OPC UA sichern dabei die Interoperabilität verschiedener Hersteller und Systeme. Dadurch können Daten über Luftqualität, Temperatur, Partikelkonzentration oder Energieverbrauch zentral gesammelt, ausgewertet und für automatisierte Entscheidungen genutzt werden.

Zu den Vorteilen zählen neben einer verbesserten Prozesssicherheit auch die schnellere Fehlererkennung, die Möglichkeit zur Fernwartung und -überwachung sowie eine deutliche Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit bei Störungen. So lassen sich etwa durch Predictive Maintenance drohende Ausfälle frühzeitig identifizieren und Wartungsarbeiten effizient planen, was die Anlagenverfügbarkeit erhöht und Kosten senkt.

Gebäudeautomation: Systeme, Komponenten und Praxisbeispiele

Die Gebäudeautomation bildet das Rückgrat moderner Gebäudetechnik einschließlich der Reinraumtechnik und umfasst die zentrale Steuerung und Überwachung von Klima-, Lüftungs-, Beleuchtungs- und Zugangssystemen. Neben klassischen SPS-Lösungen (Speicherprogrammierbare Steuerungen) kommen zunehmend intelligente Automationssysteme zum Einsatz, die auf KI-Algorithmen und Machine Learning basieren.

Ein Praxisbeispiel ist die adaptive Steuerung der Klimaanlage anhand von Echtzeitdaten zur Personenzahl und Produktionslast. In einem pharmazeutischen Reinraum kann so beispielsweise die Luftwechselrate dynamisch an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden: Während der Hauptproduktionszeiten läuft das System auf Hochtouren, bei geringerer Auslastung reduziert es die Lüftungsintensität automatisch. Dies führt zu erheblichen Energieeinsparungen ohne Kompromisse bei der Luftqualität.

Auch die Integration von Zugangskontrollsystemen in die Gebäudeautomation erhöht die Sicherheit: Zutrittsrechte können flexibel vergeben und protokolliert werden. Im Falle einer Kontamination lässt sich der Zugang zu bestimmten Bereichen sofort einschränken.

Adaptive Steuerung der Lüftungstechnik

Die Lüftungstechnik ist das Herzstück jedes Reinraums, da sie die geforderte Luftreinheit und den kontrollierten Überdruck sicherstellt. Um Einsparmöglichkeiten zu realisieren, ist es wie eingangs beschrieben notwendig, Sensoren, Aktoren und Steuerungstechnik mithilfe von IoT-Plattformen so zu vernetzen, dass eine Kommunikation in Echtzeit stattfindet. So lassen sich Informationen wie Luftqualität, Temperatur, Partikelkonzentration oder Energieverbrauch zentral erfassen, analysieren und anschließend für automatisierte Entscheidungen verwenden.

Bei gelungener Integration in einen automatisierten Prozess können moderne Systeme über adaptive Steuerungen, nicht nur die aktuellen Umgebungsbedingungen, sondern auch die Produktionszyklen und Maschinenbelegung berücksichtigen. Über Schnittstellen kommunizieren die Lüftungsanlagen dann direkt mit Produktionsmaschinen. Die flexible Anpassung der Luftvolumina, wie sie etwa bei variablen Volumenstromsystemen oder raumbezogenen Regelungen zum Einsatz kommt, ermöglicht eine exakte Abstimmung der Luftzufuhr auf das tatsächliche Kontaminationsrisiko und den aktuellen Raumbedarf. Wird beispielsweise ein Produktionsprozess mit hoher Partikelfreisetzung gestartet, erhöht das System automatisch die Luftwechselrate und aktiviert zusätzliche HEPA-Filterstufen. Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von Demand Controlled Ventilation (DCV), bei der die Lüftungsleistung kontinuierlich an die gemessene Partikelkonzentration angepasst wird. 

Auch die differenzierte Steuerung von Reinheitszonen innerhalb eines Reinraums ist eine Option. Durch den gezielten Aufbau von Druckkaskaden und die präzise Führung der Zu- und Abluftströme lassen sich einzelne Bereiche voneinander abgrenzen. Automatisierte Systeme messen und regeln hierbei kontinuierlich die Differenzdrücke, passen die Luftzufuhr bei geöffneten Türen kurzfristig an und bringen sie im Anschluss wieder auf das notwendige Niveau zurück. Somit erfolgt die Belüftung stets bedarfsgerecht, was zusätzliche Energieeinsparungen ermöglicht.

Im Vergleich zu herkömmlichen Systemen mit konstanten Luftströmen auch außerhalb der aktiven Betriebszeiten kann die Luftumwälzung deutlich reduziert werden. Dies erlaubt einen energieoptimierten Betrieb im Nacht- bzw. Wochenendmodus und führt zu einer Reduktion des Lüftungsenergieverbrauchs um bis zu 30 bis 50 Prozent.

Sensoren als IoT-Geräte

Die Integration zahlreicher Sensorik-Komponenten zur Überwachung von Partikelkonzentrationen, Temperatur, Luftfeuchte oder CO₂-Gehalt gewährleistet eine permanente Kontrolle der Luftqualität. Die automatische Anpassung der Lüftungstechnik über die Gebäudeleittechnik oder das Building Management Systemen sind nur ein Aspekt bei der Frage, was mit intelligenten Systemen möglich ist. Eine weitere Anwendung ist die Erkennung von potenziellen Abweichungen durch Filterverstopfungen. Sie werden frühzeitig erkannt, wodurch nicht nur der Energiebedarf minimiert, sondern auch der Wartungsaufwand verringert und die Lebensdauer der Komponenten erhöht wird.

Darüber hinaus leisten Maßnahmen wie der Einsatz von Wärmerückgewinnungssystemen und energieeffizienten Bauteilen einen wesentlichen Beitrag zur Senkung des Gesamtenergiebedarfs. Platten- und Rotationswärmetauscher nutzen die Abluftenergie zur Vorerwärmung der Zuluft, während hocheffiziente EC-Ventilatoren und optimierte Filterwechselintervalle den Betrieb weiter verbessern. Insgesamt ermöglichen diese Technologien Einsparungen von bis zu 70 Prozent der Wärmeenergie bei der Zuluftbereitstellung.

Überplanung und digitale Zwillinge: Planung, Simulation und Flexibilität

Wie eingangs erläutert, sind Digitalisierung und Automatisierung sowohl während der Errichtung von Reinräumen als auch bei deren Überplanung empfehlenswerte Maßnahmen. Die Planung und Überarbeitung (Überplanung) von Reinraumanlagen kann maßgeblich von digitalen Zwillingen profitieren. Deren Einsatz in Smart City und Smart Building-Anwendungen ermöglicht es generell, komplexe Gebäude und deren technische Systeme digital abzubilden, zu überwachen und zu optimieren. Ein digitaler Zwilling im Reinraum dient als virtuelles Modell der tatsächlichen Anlage und stellt alle wichtigen Parameter und Prozesse in Echtzeit dar. In der Planungsphase können so verschiedene Szenarien durchgespielt und deren Auswirkungen auf Betrieb und Energieverbrauch simuliert werden.

Dies ermöglicht eine vorausschauende Wartung, schnelle Anpassungen bei Prozessänderungen und eine flexible Erweiterung der Anlage. Digitale Zwillinge unterstützen zudem bei der Validierung von Umbauten und der Einhaltung regulatorischer Vorgaben, indem sie detaillierte Nachweise und Dokumentationen liefern.

Prozesssicherheit, Transparenz und Dokumentation

Die fortlaufende Erfassung und Analyse zentraler Parameter wie Partikelkonzentration, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Druckdifferenz ermöglicht eine sofortige Erkennung von Abweichungen im Reinraumbetrieb. Intelligente Algorithmen und KI-gestützte Auswertungen identifizieren dabei Muster und prognostizieren potenzielle Störungen, sodass frühzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Dies trägt wesentlich dazu bei, Qualitätsschwankungen zu minimieren und die Stabilität der Prozesse zu erhöhen, während ein geringerer manueller Eingriff das Risiko mikrobieller und partikulärer Kontaminationen reduziert. Ergänzend sorgen moderne Monitoring- und Datenmanagementsysteme für eine lückenlose Dokumentation sämtlicher Betriebs- und Umgebungsdaten. Über zentrale Dashboards wird eine präzise Nachverfolgung gemäß GMP- und ISO-Vorgaben gewährleistet, wobei automatisierte Audit-Trails und integrierte Alarmsysteme die Einhaltung regulatorischer Anforderungen unterstützen und Validierungsprozesse deutlich erleichtern.

Zukunft der vernetzten Reinraumtechnik

Die Zukunft der Reinraumtechnik ist untrennbar mit der intelligenten Vernetzung aller Systeme verbunden. Interkonnektivität, Gebäudeautomation, innovative Lüftungstechnik, energieeffiziente Lösungen und digitale Zwillinge sind die Schlüssel, um den steigenden Anforderungen an Sauberkeit, Effizienz und Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Unternehmen, die diese Entwicklungen frühzeitig implementieren, sichern sich nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern leisten auch einen Beitrag zu einer ressourcenschonenden und zukunftsfähigen Produktion. Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Standards, die Integration neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz und die enge Verzahnung mit Produktionsanlagen werden die Reinraumtechnik in den kommenden Jahren weiter transformieren.

Dr. Heiko Baumgartner

Dr. Heiko Baumgartner

Freier Journalist mit Schwerpunkt auf den Bereichen Life Science, Sicherheit und Chemie.

Dank seiner umfangreichen Erfahrung als Publishing Director bei einem führenden internationalen Wissenschaftsverlag und seinem Expertenwissen als Chefredakteur in verschiedenen Fachredaktionen baut Dr. Baumgartner eine Brücke zwischen Innovationen und Technologien sowie deren praktischen Anwendungen.

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