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IoT-Vernetzung als Treiber für vorausschauenden Betrieb und Effizienz
Die Digitalisierung der Aufzugstechnik schreitet rasant voran, angetrieben durch die zunehmende Vernetzung mittels Internet of Things (IoT). Moderne Aufzüge sind nicht mehr nur autonome Einheiten im Gebäude, sondern integraler Bestandteil eines vernetzten Ökosystems. Ausgestattet mit Sensoren, Edge-Geräten und Cloud-Konnektivität, übermitteln sie kontinuierlich Betriebs-, Umwelt- und Nutzungsdaten an zentrale Plattformen. Diese Datenströme werden in Echtzeit analysiert und liefern eine Vielzahl an Informationen: von Fehlercodes und Ausfallmustern bis hin zur detaillierten Nutzungsauswertung pro Tageszeit. Ein typisches IoT-System in der Aufzugswelt besteht aus drei Schichten: dem Sensorik- und Steuerungsmodul im Aufzugsschacht, einem Gateway zur Datenübermittlung und der Cloud-Plattform, auf der fortschrittliche Analytik – häufig KI-gestützt – stattfindet. Der Nutzen für Betreiber ist immens: Echtzeit-Diagnosen, gezielte Wartungseinsätze, reduzierte Stillstandzeiten und sinkende Kosten. Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) wird zum Goldstandard. Studien zeigen, dass sich durch diese Technologien die Anzahl ungeplanter Reparaturen signifikant verringern lässt1.

Doch das Potenzial endet nicht bei Neuanlagen
Auch Bestandsaufzüge lassen sich durch externe Sensoren nachrüsten. Diese Plug-&-Play-Systeme können per Retrofit-Box auch herstellerübergreifend arbeiten, wie das Start-up "Aufzughelden" mit seiner "Aufzugsbox" zeigt2. Die Anbindung alter Systeme an digitale Plattformen erlaubt nicht nur Transparenz über den Zustand, sondern auch die Integration in moderne Gebäudemanagementsysteme. Auch Fahrtreppen und Fahrsteige sind längst Teil dieser digitalen Infrastruktur: Sensoren erfassen z. B. die Schrittkettenbewegung, Temperaturanomalien oder Laufzeiten und melden diese automatisch an Wartungssysteme. Die Verknüpfung all dieser Daten in einem zentralen Dashboard erlaubt Facility Managern eine ganzheitliche Sicht auf das gesamte System. Und diese ganzheitliche Sicht ist notwendig, denn immer mehr Stakeholder im Smart Building – von Energieversorgung über Sicherheit bis hin zum Nutzermanagement – verlangen nach einer gemeinsamen Datenbasis.
KI-gesteuerte Steuerungssysteme und adaptive Zielwahl
Neben der Wartung nimmt Künstliche Intelligenz auch in der Steuerung und Organisation des Aufzugsbetriebs eine Schlüsselrolle ein. In stark frequentierten Gebäuden wie Hochhäusern, Flughäfen oder Verkehrsknotenpunkten kommt es auf Effizienz und kurze Wartezeiten an – hier ermöglichen KI-basierte Zielrufsysteme (Destination Control Systems) völlig neue Lösungen. So kann der Aufzug vorausschauend gesteuert werden: beispielsweise erkennt die Steuerung, wann eine Etage stark frequentiert wird, und leitet automatisch mehr Kabinen dorthin. Ein KI-gestütztes System analysiert nicht nur vergangene Muster, sondern prognostiziert künftige Lastverteilungen. Es berücksichtigt zudem aktuelle Sensordaten, etwa zur Auslastung einzelner Kabinen, Energieverbrauch oder Reaktionszeiten der Türen. Dadurch kann die Systemsteuerung jede Kabine dynamisch optimieren. Bei einem Anruf wählt das System nicht einfach den nächstgelegenen Aufzug, sondern die effizienteste Option unter Berücksichtigung sämtlicher Parameter. In Kombination mit Echtzeitdaten aus Zugangskontrollen (z. B. aus Drehkreuzen oder mobilen Apps) kann sogar eine vollautomatische Fahrtzielvorauswahl erfolgen. Das erhöht nicht nur Komfort und Geschwindigkeit, sondern senkt durch reduzierte Leerfahrten auch den Energieverbrauch. Der Einsatz solcher lernfähigen Steuerungssysteme hat messbare Auswirkungen: Laut Daten von KONE lassen sich Wartezeiten in großen Bürogebäuden reduzieren, während gleichzeitig die Transportkapazität pro Stunde steigt3. Für Betreiber bedeutet das nicht nur Effizienzgewinne, sondern auch eine höhere Zufriedenheit bei Nutzern und Mietern.

Smart Building Integration und API-gestützte Datennutzung
Ein entscheidender Vorteil vernetzter Aufzüge liegt in ihrer Fähigkeit zur Integration in das größere digitale Ökosystem eines Gebäudes. Über offene Programmierschnittstellen (APIs) werden Aufzugsdaten und Steuerfunktionen nahtlos in Gebäudemanagementsysteme, Zutrittslösungen, Energiekontrollplattformen oder Sicherheitsinfrastrukturen eingebunden.

Die Nutzungsszenarien sind vielfältig
Wenn ein Mitarbeiter ein Gebäude betritt und sich per Zugangskarte identifiziert, kennt das System bereits sein Zielstockwerk und ruft automatisch einen Aufzug. In einem vernetzten Hotel kann ein Aufzug das Ziel anhand der Zimmerkarte des Gastes vorauswählen. Gebäudeinterne Navigationssysteme auf dem Smartphone oder Touchpanels im Eingangsbereich können sogar barrierefreie Kabinen gezielt anweisen, Nutzer mit spezifischen Anforderungen zu bedienen. Zukunftsvisionen gehen noch weiter: Digital Twins – virtuelle Repräsentationen physischer Aufzüge – ermöglichen Simulationen von Wartungsprozessen, Energieoptimierungen oder Sicherheitsanalysen4. Daten aus realen Betriebszuständen werden zurückgespielt, um in Echtzeit Optimierungsstrategien für baugleiche Systeme zu entwickeln. Ein Ausfall im Modell kann so präventiv Reparaturen an vergleichbaren Aufzügen im Bestand anstoßen. Dieses Closed-Loop Engineering erlaubt eine permanente Weiterentwicklung des Systems – ohne Eingriffe in den laufenden Betrieb. Das Smart Building der Zukunft erkennt so nicht nur Bedarfe, sondern setzt auf Echtzeitreaktionen und proaktive Steuerung – mit dem Aufzug als intelligentem Knotenpunkt zwischen Nutzer, Infrastruktur und Cloud.
Treiber des Marktwachstums:
- Urbanisierung & Verdichtung: Superhochhäuser in Asien und dem Nahen Osten fordern neue, leistungsstarke Aufzugssysteme5.
- Modernisierungsbedarf: In Europa und Nordamerika sind viele Anlagen älter als 20 Jahre und benötigen ein Retrofit6.
- Smart City-Konzepte: Integration in digitale Infrastrukturen erhöht die Relevanz von Schnittstellen- und Datenkompetenz7.
Normen, Sicherheit und regulatorischer Rahmen
Regulierungen und Normen entwickeln sich parallel zur technologischen Dynamik weiter. Sie bilden das Rückgrat für den sicheren und interoperablen Einsatz smarter Aufzugssysteme – sowohl in Bestandsbauten als auch in Neubauprojekten. Im Fokus stehen dabei Energieeffizienz, Betriebssicherheit, Notfallkommunikation sowie digitale Schnittstellen.
Zentrale Entwicklungen im Regelwerk:
- EN 81-20/50 (EU): Bereits überarbeitet, um strukturelle Sicherheit, Lichtverhältnisse und Notrufsysteme zu verbessern8.
- ISO 25745 / VDI 4707: Bewertung der Energieeffizienz – vergleichbar mit Gebäudelabels (A+++, A++,...)9.
- EN ISO 8100 (in Planung): Ziel ist die weltweite Harmonisierung von Standards für digitale Aufzugsfunktionen10.
- VDMA 15324:2023: Leitfaden für Notrufe über IP-basierte Systeme – wichtig im Kontext von Cloud-Wartung11.
Zusätzlich fordern nationale Vorgaben zunehmend barrierefreie Gestaltung (z. B. DIN 18040)12 und energetische Nachweise. Mit Blick auf Klimaschutzgesetze könnten Energieausweise für Aufzugsanlagen in Zukunft zur Norm werden.
Cybersecurity im Fokus:
Mehr als 50% der Unternehmen in Deutschland waren 2023 Ziel von Cyberangriffen – auch smarte Aufzugssteuerungen müssen daher abgesichert sein13. Branchenlösungen setzen auf:
- verschlüsselte Datenübertragung,
- dedizierte Sicherheitsgateways,
- regelmäßige OTA-Updates und Penetrationstests,
- Netzwerksegmentierung für IoT-Module.
Zertifizierungen wie IEC 62443 oder ISO 27001 werden zunehmend von Betreibern gefordert – besonders bei öffentlichen Ausschreibungen oder Hochsicherheitsbereichen14.
Strategische Empfehlungen für Entscheider in Architektur, Betrieb und Planung
Im Zuge wachsender ESG-Anforderungen und steigendem Wettbewerbsdruck werden Aufzüge zunehmend zum Differenzierungsmerkmal für nachhaltige und zukunftsfähige Immobilien. Für Gebäudeverantwortliche, Investoren, Betreiber und Planer bieten die aktuellen Entwicklungen sowohl technisches als auch wirtschaftliches Potenzial. Die folgenden Maßnahmen gelten als besonders zukunftssicher:
1. Retrofit statt Neubau
- Analyse bestehender Aufzugsanlagen hinsichtlich Energieeffizienz, Digitalisierungspotenzial und Sicherheit
- Einsatz von Nachrüstsystemen für IoT, Steuerung, LED, regenerative Antriebe15
2. Smarte Integration ins Gebäudemanagement
- Nutzung offener APIs zur Einbindung in Zutritts-, Licht- und Raumbuchungssysteme
- Auswahl von Anbietern mit SDKs und Cloud-Plattformen (z. B. Otis ONE, KONE API)16
3. Nachhaltigkeit konsequent verfolgen
- Produkte mit Ökobilanz, recyclebaren Komponenten und CO₂-reduzierter Herstellung bevorzugen
- Energieeffizienzzertifikate (VDI 4707, ISO 25745) prüfen17
4. Fokus auf Nutzererlebnis und Barrierefreiheit
- Einsatz von Touchless-Technologie, Sprachsteuerung und personalisierten Displays
- Integration akustischer Signale und taktiler Bedienelemente für Inklusion18
5. IT-Sicherheit aktiv managen
- Auswahl zertifizierter Systeme mit nachgewiesener Cybersecurity-Architektur
- Schulung von Facility-Teams in Datenschutz und digitaler Gefahrenabwehr19
Ein zukunftssicheres Aufzugskonzept vereint Technologie, Betrieb und Nutzerkomfort. Intelligente Mobilitätslösungen werden zur Grundlage jedes erfolgreichen Smart Buildings – mit klarer Relevanz für ESG-Kriterien, Gebäudezertifizierungen (LEED, DGNB) und Werterhalt20.
Fazit: Aufzüge als Rückgrat der digitalen Gebäudewelt
Aufzüge und Fahrtreppen entwickeln sich zu vernetzten, selbstoptimierenden und nachhaltigen Bestandteilen moderner Immobilien. Zwischen 2023 und 2025 prägen digitale Steuerungen, KI-Analytik, Touchless-Interfaces und regenerative Technik das Bild der vertikalen Mobilität. Betreiber profitieren durch reduzierte Betriebskosten, mehr Komfort und höhere Ausfallsicherheit – Nutzer durch smarte, hygienische und intuitive Bedienung. Ein Blick in die nächsten 5 bis 10 Jahre zeigt: Aufzüge werden nicht nur autonomer, sondern auch stärker kontextbewusst agieren. Sie werden Verkehrsströme in Echtzeit analysieren, sich situativ anpassen und über cloudbasierte Systeme mit anderen Gebäudefunktionen und urbaner Infrastruktur kommunizieren. Zukunftsvisionen reichen von selbstlernenden Wartungssystemen über vollintegrierte Smart-City-Netzwerke bis hin zu kabellosen Multi-Directional-Liften, die den Raum vertikal und horizontal neu denken. Dabei wird auch der Nachhaltigkeitsaspekt weiter in den Vordergrund rücken – durch CO₂-neutrale Produktionsketten, zirkuläre Wartungskonzepte und adaptive Ressourcennutzung.