Die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) nimmt zentrale Herausforderungen des europäischen Gebäudebestands in den Fokus: Energieeffizienz, Dekarbonisierung und gesundes Raumklima. In diesem englischsprachigen Vortrag anlässlich der ISH 2025 werden die neuen Anforderungen und Potenziale der Richtlinie verständlich und anschaulich erläutert – mit besonderem Blick auf technische Gebäudeausrüstung und Raumluftqualität.
Hintergrund und Ausgangslage
Rund ein Drittel des Energieverbrauchs in der EU entfällt auf Gebäude, der Großteil davon auf Wohngebäude mit schlechter Energieperformance. Der Handlungsdruck ist enorm: Mehr als 85 % der heutigen Gebäude werden voraussichtlich noch 2050 in Nutzung sein. Die EPBD-Reform zielt deshalb auf eine tiefgreifende Modernisierung – mit gezieltem Fokus auf die schlechtesten Gebäude im Bestand.
Neue Anforderungen an technische Systeme
Ein Schwerpunkt liegt auf der Integration und Optimierung technischer Gebäudeausrüstung (TGA), also u. a. Heizungs-, Lüftungs-, Warmwasser-, Beleuchtungsanlagen sowie Systeme zur Eigenstromerzeugung und Energiespeicherung. Die Mitgliedstaaten müssen künftig sicherstellen, dass diese Systeme korrekt geplant, dimensioniert, installiert und geregelt werden – sowohl bei Neubauten als auch bei Sanierungen.
Dabei spielt nicht nur Energieeffizienz eine Rolle, sondern zunehmend auch die Raumluftqualität (Indoor Environmental Quality, IEQ). Diese wurde erstmals klar definiert und umfasst mindestens Luftqualität und thermischen Komfort – ergänzt um Parameter wie Temperatur, Luftfeuchte, Lüftungsraten oder Schadstoffkonzentrationen. Je nach nationalem Ermessen können auch Akustik oder Tageslicht einbezogen werden.
Neue Vorgaben für Raumluftqualität
Die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung gesunder Innenräume in den Fokus gerückt. Aktuell leben rund 25 % der EU-Bevölkerung in Gebäuden mit unzureichender Luftqualität. Die EPBD reagiert darauf mit neuen Mindeststandards und Monitoringpflichten – insbesondere bei Neubauten und größeren Sanierungen von Nichtwohngebäuden.
Ab Mai 2026 wird die Ausstattung mit Systemen zur Überwachung der Raumluftqualität verpflichtend – technisch und wirtschaftlich angemessen. Bereits heute sinken die Preise für entsprechende Technologien, was deren breitere Einführung erleichtert. Die Richtlinie sieht außerdem vor, dass auch die Energieausweise künftig Empfehlungen zur Verbesserung der Raumluftqualität enthalten müssen – außer das Gebäude erreicht bereits Effizienzklasse A.
Digitalisierung und Automatisierung
Zur weiteren Steigerung von Energieeffizienz und Komfort setzt die EPBD verstärkt auf Digitalisierung. So müssen große Nichtwohngebäude künftig mit Gebäudeautomationssystemen (BACS) ausgerüstet sein. Diese überwachen, analysieren und optimieren den Energieverbrauch – inklusive Reaktionsfähigkeit auf externe Signale (z. B. Energiepreise, Netzlast).
Ab 2028 (für große Gebäude >290 kW Leistung) und ab 2030 (für >70 kW) sind zudem automatische Lichtsteuerungen vorgeschrieben, sofern wirtschaftlich und funktional sinnvoll. Damit werden Lichtsysteme nur dann genutzt, wenn sie tatsächlich gebraucht werden – ein weiterer Beitrag zur Einsparung.
Politische Umsetzung und nationale Spielräume
Die Richtlinie bleibt ein Rahmengesetz – über das „Wie“ entscheiden die Mitgliedstaaten. Dennoch gibt es klare Zielvorgaben, etwa für Mindeststandards bei Neubauten oder die Einführung von Null-Emissions-Gebäuden. Zur Unterstützung wird derzeit ein umfassendes Leitlinienpaket der EU-Kommission vorbereitet, das nationale Behörden bei der Umsetzung begleiten soll.
Keyfacts & Erkenntnisse:
- Gebäudesektor = größter Energieverbraucher Europas
- Über 85 % der Gebäude wurden vor 2000 errichtet
- EPBD-Reform fördert sanfte & digitale Sanierung
- Einführung eines klaren IEQ-Begriffs: Luftqualität, Komfort, ggf. Tageslicht & Akustik
- Monitoringpflichten für Raumluft in großen Gebäuden ab 2026
- Neue Anforderungen für technische Systeme & Automatisierung
- Energieausweise künftig mit IEQ-Empfehlungen
- Flexible Umsetzung auf nationaler Ebene – aber mit klaren Mindestvorgaben
Fazit
Die überarbeitete EPBD ist mehr als ein energiepolitisches Werkzeug – sie ist ein Meilenstein für lebenswertere, gesündere und klimaschonendere Gebäude in Europa. Der Vortrag macht deutlich: Wer heute plant, saniert oder reguliert, muss Innenräume ganzheitlich denken – als Energie-, Komfort- und Gesundheitsräume. Wer sich fundiert informieren will, wie das in der Praxis aussehen kann, sollte sich die Aufzeichnung nicht entgehen lassen.
Silvia Rezessy…
… ist eine Expertin für Energieeffizienz und arbeitet für die Europäische Kommission in der Generaldirektion Energie (DG ENER). Sie hat an verschiedenen Initiativen zur Förderung der Energieeffizienz in Gebäuden mitgewirkt und war als Rednerin bei Veranstaltungen wie der ISH 2025 tätig, wo sie über die neuen Anforderungen der Europäischen Gebäuderichtlinie sprach. Zudem hat sie an Forschungsarbeiten zu Energiedienstleistungsunternehmen (ESCOs) und freiwilligen Vereinbarungen im Energiebereich mitgewirkt.